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Nahverkehr in Wuppertal stärken!

Planungen zum Nahverkehrsplan nicht ausreichend. Stellungsnahme von Pro Bahn und Mobiles Wuppertal

Es ist bedauerlich, dass die Verwaltungsspitze für den Nahverkersplan  lediglich eine Prüfung der Szenarien 1 - 2 in Auftrag geben möchte. 

Wie sich aus der Vorlage VO /1578/23, S.14-20 ergibt, erbringt das Szenario 1 in keinem der dort genannten maßgeblichen Qualitätskriterien eine nennenswerte Verbesserung gegenüber dem
Szenario 0. Insbesondere bei den maßgeblichen Kriterien Verkehrsverlagerung und Klimawirkung ist das Szenario 1 vollständig, und auch das Szenario 2 im wesentlichen erfolgsneutral.
Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund, dass durch den aufzustellenden NVPl die Grundlage geschaffen werden muss, die Mobilität in Wuppertal bis 2035 klimaneutral zu gestalten, nicht zu
vertreten. Bei dem vorgesehenen Zeithorizont des NVPl ist vielmehr dringendes Handeln erforderlich. Ohne einen erheblich verbesserten ÖPNV ist eine weitgehende klimaneutrale Mobilität nicht zu
erreichen.
Darüber hinaus ist es auch höchst bedenklich, dass im Szenario 0 der aktuelle Zustand als Ausgangsbasis gewählt wird. Das derzeitige Fahrplanangebot insbesondere der immer noch gültige
Notfahrplan resultieren aus einer Reihe von Einsparrunden seit dem Jahr 2012. Diese waren nicht etwa durch rückläufige Fahrgastnachfrage bedingt, sondern erfolgten aufgrund zentraler Einsparvorgaben
der Unternehmensleitung WSW zum Gesamtkonzern (Verkauf von Gesellschaftsanteilen). Es ist daher zu befürchten, dass bei Planung der Szenarien 1 und 2 nicht einmal mehr das Angebot Stand 2010
wieder hergestellt werden kann. Hervorzuheben ist insbesondere die nahezu vollständige Streichung das einstmals vorbildlichen Cityexpress-Netzes sowie die letzten umfangreichen Einsparungen zur Finanzierung der
Mehraufwendungen! im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Zentralen Omnibusbahnhofs Döppersberg. Auf diese Weise wurde der Modal Split-Anteil das ÖPNV von seinerzeit 26% auf nunmehr
geschätzte nur noch 12 - 17%
heruntergewirtschaftet. Das derzeitige Fahrplanangebot beinhaltet inzwischen eine Vielzahl von Erschliessungs, -Verbindungs- und Reisezeitdefiziten, so dass es keinesfalls
als seriöse Planungsgrundlage dienen kann.

Bei den Aussagen zu den Betriebskosten (S. 20) sind unsere Vorschläge zu kostenneutralen Beschleunigungsmaßnahmen und das in 2021 errechnete Einsparpotential von ca. 5 Mio.- € offenbar
nicht berücksichtigt. Dieser Betrag dürfte sich, bedingt durch Inflation und auch die Umstellung auf Elektrobusbetrieb durchaus auf 10 Mio.-€ pro Jahr verdoppeln. Dieser Maßnahmenkatalog wird noch
um zahlreiche weitere Forderungen erheblich erweitert werden, so dass in allen Szenarien bedeutende Spielräume für eine Wiederherstellung eines fahrgastgerechten Angebotes entstehen. Wir bitten, dies
in der Kalkulation zu berücksichtigen, die vorgeschlagenen Maßnahmen im Nahverkehrsplan festzuschreiben und die Durchführung verbindlich zu beschließen.Schließlich sollten auch die für das Szenario 3 zunächst genannten Investitionskosten in Höhe von 1,07 – 1,22 Mrd.€ nicht von einer Weiterverfolgung dieses Szenarios abhalten:

Die genannten Investitionskosten legen die Wiedereinführung eines Straßenbahnbetriebs zugrunde. Diese Kosten können jedoch erheblich, und zwar um einen Betrag von 60 – 70% gesenkt werden, wenn anstelle einer Straßenbahn ein hochwertiges (Elektro-) Bussystem nach französischem Vorbild (BHNS)
mit gleicher Bedienungsqualität („Stadtbahn auf Gummirädern“) und Einsatz von Gelenkbussen unterstellt wird. Die Stadt Solingen plant, ihr Obus-Netz auf dieses Niveau anzuheben. Bestandteile eines solchen Systems sind ebenso wie bei der Straßenbahn ein hoher Anteil eigener Fahrwege,
konsequente Ampelvorrangschaltung, Zuflussbegrenzung des IV, hochwertige Fahrzeug- und Haltestellenausstattung.
Hinzu kommt, dass Maßnahmen zur Einführung eines BNHS-Systems im Gegensatz zu einem neuen Straßenbahnsystem auch kleinteilig aus dem vorhandenen Busnetz entwickelt werden können und
dem Busbetrieb unmittelbar zur Verfügung stehen. Die Umsetzung kann somit zeitlich und finanziell flexibler gehandhabt werden.

Im übrigen kann eine Aussage zur finanziellen Vertretbarkeit des Szenarios 3 seriöserweise erst getroffen werden, wenn zum Vergleich die Kosten ermittelt werden, die die Stadt zugunsten des IV regelmäßig aufwendet. Eine Untersuchung für die Städte Bremen, Kassel (beide mit großen
Straßenbahnbetrieben und -projekten) und Kiel hat für die kommunalen Haushalte eindeutig nachgewiesen, dass die Aufwendungen für den ÖPNV deutlich geringer ausfallen. Dazu hat die Stadt bislang keinerlei Initiative erkennen lassen, die ÖPNV-Finanzierung durch zusätzliche
Finanzierungsinstrumente (Nutznießerfinanzierung) auf eine breitere Basis zu stellen.

Von daher kann der bloße Verweis auf die Haushaltslage und der reflexartige Ruf nach Hilfen von Bund und Land nicht als tragfähige Begründung für die Ablehnung des Szenarios 3 akzeptiert werden. Die Stadt sollte
nunmehr die ihr selbst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen. Darüber hinaus ist offen, wie die Gutachter die Potentiale und Kosten abschätzen. Werden hier nur Korridore gebildet und anhand dieser die Kosten bei Taktverdichtung und qualitativ die Wirkungen
geschätzt ?

Zusätzlich sind also auch „Push“-Szenarien zu erarbeiten, welche zum einen die Einnahmeseite der Stadt aus dem IV stärken, zum anderen aber auch die Fahrgastzahlen durch vermehrten Umstieg vom Pkw zum ÖPNV steigern.
Wir bitten daher dringend darum, auch das Szenario 3, zumindest mit der Variante BHNS ebenfalls in die nähere Ausgestaltung einzubeziehen.

Wir regen daher wahlweise folgende Beschlussvorschläge an:

„Der Rat der Stadt beschließt im Fortschreibungsprozess des aktuellen Nahverkehrsplans, das Szenario
2 – Offensive und das Szenario 3 unter Einbeziehung des BNHS-Systems durch das Gutachterbüro und
die Verwaltung detailliert ausarbeiten zu lassen.“
oder
„Der Rat der Stadt beschließt im Fortschreibungsprozess des aktuellen Nahverkehrsplans,
das Szenario 2 – unter Einbeziehung des BNHS-Systems durch das Gutachterbüro und die Verwaltung
detailliert ausarbeiten zu lassen.“

Allgemeine Anforderungen:
Über die aktuell zu fassenden Beschlüsse hinaus möchten wir schon jetzt unsere inhaltlichen Anforderungen für die endgültige Fassung des Nahverkehrsplans wie folgt definieren:Wenn gemäß der genannten Szenarien 1 und 2 eine nennenswerte Ausweitung der Fahrleistung nicht
zu erwarten ist, so sollte zumindest im Bereich der Qualität ein durchgängig hoher Standard eingeführt werden, der sowohl bezüglich Reisezeit wie Fahrkomfort ein gegenüber dem MIV konkurrenzfähiges Angebot schafft. Es handelt sich durchweg um kostenneutrale oder günstige Maßnahmen, die in allen
Szenarios zum Zuge kommen sollten:

1. Ampelvorrangschaltung:
Seit beinahe mehr als 10 Jahren beobachten und beanstanden wir die ständige Funktionslosigkeit dieses im Grunde hilfreichen Systems. Wir haben anlässlich der Beratungen zum Green-City-Plan vor einer vollständigen Überplanung des Systems zugunsten des MIV
gewarnt. Im Ergebnis wird nunmehr die Benachteiligung des ÖPNV sogar noch mit Umweltargumenten gerechtfertigt. Hier muss der neue Nahverkehrsplan qualitative Vorgaben (z.B. Höchstwartezeiten) stellen und ein transparentes auch für außenstehende verständliches
Monitoring zur Qualitätssicherung vorsehen.
 

2. Fahrweg:
Die Fahrwege der Buslinien werden zunehmend durch parkende Pkw verstellt, so dass die Fahrzeiten nicht mehr gehalten werden können. Auch wird das Parken selbst dann noch zugelassen, wenn für beide Fahrtrichtungen nur noch eine Fahrspur verbleibt und die Busse
sich entweder festfahren oder die Fahrgäste in Ausweichmanövern durchschütteln. Hier muss der neue Nahverkehrsplan ebenfalls qualitative Anforderungen zur Verfügbarkeit von behinderungsfreien Fahrspuren stellen. Entweder ist das Parken soweit zu beschränken, dass
eine behinderungsfreie Durchfahrt der Busse in beiden Fahrtrichtungen möglich wird, oder es ist hilfsweise eine Einbahnregelung vorzusehen. Die von Linienbussen befahrenen Streckenabschnitte sind bei Vorfahrtsregelungen zu bevorzugen. Sollte dies nicht möglich sein,
sind LSA zu installieren, bei denen die Freigabe durch den Bus angefordert werden kann. Ein Katalog der betroffenen Streckenabschnitte und Maßnahmen ist in den NVPl aufzunehmen undverbindlich zu beschließen.

3. Busspuren:
Bereits der Vorgänger-NVPl 1997 enthielt einen “Planungsatlas Busspuren“, der jedoch nicht umgesetzt wurde. Stattdessen wurden Busspuren sogar großflächig zurückgebaut. Dieser Planungsatlas sollte wieder aufgenommen, aktualisiert und die Einzelmaßnahmen ebenfalls
verbindlich beschlossen werden. Zur Einrichtung von Busspuren in den Bereichen Döppersberg und Alter Markt / Bf. Barmen hatten wir bereits Vorschläge eingereicht.