Aktuelles

Einsatz von Lieferrobotern auf Gehwegen in Barmen

Welche Probleme sollen Lieferroboter eigentlich lösen? Was haben Sie auf Gehwegen zu suchen und profitiert die Wuppertaler Stadtgesellschaft vom Einsatz autonomer Lieferroboter?

Hier unsere Stellungnahme

Foto: Thorsten Osenbrück

Die bergische Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft möchte im Rahmen der Initiative „bergisch smart mobility“ Lieferroboter der Firma Starship in Barmen testen. Damit möchten die Initiatoren praktische Erfahrungen sammeln und die Akzeptanz autonomer Lieferdienste in der Bevölkerung fördern. Die ca. 70 x 57 x 57 cm großen und 30-45 Kg schweren Roboter sollen mit einer Geschwindigkeit von 6 km/h weitgehend autonom auf Gehwegen in der Barmer Innenstadt und am Rott fahren. Aktuell sind vier Fahrzeuge geplant.  Neben Fragen zu verkehrlichen Belangen stellen sich auch grundsätzliche gesellschaftliche Fragen, die einer steuernden Antwort von Stadtgesellschaft und Politik erfordern. Schaffen Lieferroboter mehr Probleme oder Lösungen?

 

1. Verkehrliche Belange

Gehwege stellen in Wuppertal stark beanspruchte Räume dar. Gerade in den Wohnquartieren haben Fußgänger:innen kaum die in den Empfehlungen für Fußverkehrsanlagen empfohlenen 2,5-3 m Gehwegbreite, um einen barrierefreien Begegnungsverkehr zu ermöglichen. De Facto stehen durch geparkte Fahrzeuge und Einbauten häufig kaum mehr als 1 m Gehwegbreite zur Verfügung. In einzelnen Straßen ist es so eng, dass diese daher für den Lieferroboter bereits „gesperrt“ wurden, da dieser nicht mehr sicher navigieren kann (Grosse Hakenstraße). Bei derart schmalen Gehwegbreiten ist ein sicherer Begegnungsverkehr für Fußgänger:innen und Roboter nicht möglich, wenn bereits der Roboter ca. 60% der Breite benötigt. Da der Roboter bei Hindernissen abwartet und ein Ausweichen für ihn auf beparkten Gehwegen nicht möglich ist, werden zu Fuss gehende gezwungen werden, auf die Fahrbahn auszuweichen. Ein Passieren von Personen mit Gepäck oder Kinderwagen und dem Roboter ist in vielen Fällen nicht möglich. Gerade Kinder, aber auch seh- eingeschränkte Personen sind hier besonders gefährdet.

Vor der Sondergenehmigung eines – wenn auch langsamen – Fahrzeuges auf Gehwegen wären ausreichende Gehwegbreiten sicherzustellen, so dass ein Ausweichen mit Rollstuhl etc. möglich ist.

 

2. gesellschaftliche Belange

Treiber des autonomen Fahrens ist die Bergische Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft. Damit ist bereits umrissen, worum es bei diesem Projekt geht: Wirtschaftsförderung. Erklärtes Ziel der Fördergeber ist die Unterstützung der heimischen Automobilzulieferindustrie. Deren Interessen stehen im Fokus des Projektes. Die Barmer Innenstadt dient als Experimentierfeld für die Alltagstauglichkeit autonomer Fahrzeuge sowie deren Akzeptanz in der Bevölkerung.

Eine weiterer möglicher Profiteur könnten aber auch Einzelhändler in der Barmer Innenstadt sein, die sich ein innovativ erscheinendes Projekt werbewirksam auf die Fahnen schreiben können. Gegebenenfalls können Händler durch die Einsparung von Lieferpersonal ihren Gewinn steigern.

Auf der anderen Seite stehen die Wuppertalerinnen und Wuppertaler insbesondere in den innenstadtnahen Quartieren. Gerade hier Leben Menschen in häufig überschuldeten Haushalten und Bedarfsgemeinschaften, in denen sich Armut zunehmend verfestigt. Es steht zu befürchten, dass dieser Missstand sich im Nachgang der Corona Krise noch verschärfen wird. In einer ebenfalls angespannten Arbeitsmarktsituation für Geringqualifizierte wird Wuppertal auch auf Jobs im Lieferservice angewiesen sein. Gerade bei Lieferdiensten wurde in der Vergangenheit häufig angeprangert, dass hier prekäre Arbeitsverhältnisse bestünden. Ein Wegfall dieser Arbeitsplätze durch die Digitalisierung mittels autonomer Lieferroboter wird noch zu einer weiteren Verschlechterung der Lebensverhältnisse der Betroffenen führen.

Darüber hinaus sehen wir auch noch ganz alltagspraktische Nachteile der Lieferroboter. Anders als beworben - als Unterstützungsansatz für bewegungseingeschränkte Personen - kann ein Lieferroboter im Gegensatz zu einem Boten nicht das Treppenhaus erklimmen, um auch mobilitätseingeschränkten Personen in der dritten Etage ihre Medikamente oder ähnliches zu überreichen. Auch ermöglicht eine Lieferroboter keine persönliche Ansprache, die vereinsamte Menschen benötigen.

 

Zusammenfassende sehen wir den Einsatz autonomer Lieferroboter kritisch.

Aus gesellschaftlicher Sicht und Sicht des Gemeinwohls ist eine weitere Verschärfung prekärer Arbeits- und Lebensverhältnisse in einer Stadt mit starkem sozialen Gefälle zu befürchten. Darüber hinaus werden die schwächsten Verkehrsteilnehmer:innen weiter in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.  Will man einer kriselnden Automobilindustrie und ihren Zulieferern unter die Arme greifen, ist auf der anderen Seite auch ein Ausgleich für diejenigen zu fordern, die den Preis dafür zahlen sollen. Auch für Menschen mit niedrigem Einkommen müssen Teilhabe und soziale Begegnungen gesichert werden.

Es müssten auch im Begegnungsverkehr ausreichend breite Gehwege sichergestellt werden. Dies könnte über ein Fussverkehrskonzept mit Parkraummanagement umgesetzt werden.